Dieses Mal hatte ich den Inov-8 Roclite Ultra G 320 im Test.
Der Trailfly Ultra G 280 ist nach dem Trailfly Ultra G 280 erst mein 2. Produkt aus dem britischen Hause Inov-8, welches 2003 gegründet wurde.
Beim Roclite Ultra handelt es sich um einen Trailschuh mit G-Grip Außensohle und einem Gewicht von 320g (bei Standardgröße), der in erster Linie für längere Distanzen konzipiert ist.
Ich bin sehr gespannt ob ich mit dem Roclite zurecht komme, wie der Schuh sich so auf den Trails schlägt und inwiefern sich der Schuh vom Trailfly unterscheidet.
Testfacts
Tester: Patrick Salm
Testzeitraum: ca. 3 Wochen
Modell: Roclite Ultra G 320
Kategorie: Neutral, Trail, Ultratrail
Technologien: G-Fly Graphene Foam, Meta-Plate, G-Grip (Graphene Enhanced Rubber)
Farbe:Navy/Blue/Nectar
Sprengung: 8mm (Ferse 20mm, Vorfuß 12mm)
Gewicht: 320g (386g bei Größe DE45)
Preis: UVP 195€
Inov-8 Trailfly Ultra G 280 Trailschuh im Test – PSBLOG
Optik/Haptik
Wie immer zuerst einmal die kleine Anmerkung, Geschmack oder Gefallen liegt natürlich im Auge des Betrachters und die folgenden Zeilen spiegeln deshalb lediglich meine ganz subjektive Meinung wieder.
Der Roclite Ultra G 320 sieht für mich wie ein ziemlich perfekter Trailschuh. Das Design gefällt mir mehr als nur gut und ich kann den Ino-8 Designern nur ein großes Lob dafür aussprechen.
Wie auch beim Trailfly Ultra G 280 verzichtet Inov-8 auch beim Roclite auf auffällige innovative Features, Schnellschnürung oder sonstigen SchnickSchnack und liefert einen „klassischen“ Trailschuh.
Natürlich könnte man Inov-8 jetzt vorwerfen sie wären einfallslos oder mutlos, aber Trailschuhe sind keine Sneaker und müssen vor Allem zuverlässig funktionieren.
Bei der Farbwahl bietet Inov-8 den Männern mit 2 Farbvarianten relativ wenig Auswahl, während die Damen sich über die Farbe gar keine Gedanken machen müssen, da es hier nur 1 Variante gibt.
Die Verarbeitungsqualität des Roclite wirkt insgesamt sehr gut. Die Auswahl der Materialien macht einen guten Eindruck und der Schuh wirkt ordentlich robust. Hier darf man natürlich auch nicht vergessen das man einen Schuh für beinahe 200€ in der Hand hält und eine solide Verarbeitung selbstverständlich sein sollte, auch wenn das leider nicht immer der Fall ist.
Laufen mit dem Roclite Ultra G 320
Es gibt Schuhe bei denen einfach die Chemie stimmt und alles zu passen scheint. Bei solchen Schuhen sind objektive Aussagen etwas schwer zu treffen und die subjektiven Eindrücke stimmen oft nicht so wirklich mit den Fakten überein und genauso ein Schuh ist für mich der Roclite.
Auch wenn es viele Läufer gibt, die der Meinung sind man könnte oder müsste Schuhe einlaufen oder man merkt erst nach vielen Kilometern ob der Schuh zu einem passt, merke ich das fast immer bereits bei der Anprobe. Das der Roclite deutlich besser zu mir passt als z.B. der Flyspeed war mir sofort klar und dieser Eindruck hat sich auch während meiner Läufe absolut bestätigt. Das der Roclite aber perfekt zu mir passt erkennt man z.B. daran das ich ihn als leicht und agil beschreiben würde. Der Schuh wiegt immerhin stolze 386g und ist dank seiner durchtrittsicheren Rock Plate auch relativ steif, dennoch wirkt er für mich viel leichter und flexibler. Die Passform des Roclite würde ich als mittelbreit bezeichnen, die Schnürung funktioniert extrem gut und bietet sehr viele Zugpunkte um den Schuh perfekt an jede Fußform oder Vorliebe anzupassen. Die Zehenbox ist nicht so geräumig wie beim Flyspeed, Inov-8 gibt die Größe 3 dafür an, während die Zehenbox des Flyspeed eine 5 auf der Skala ist und damit die Größenobergrenze erreicht. Die Laufcharakteristik des Roclite empfinde ich als super natürlich, womit ich meine das mein Laufstil auf dem Mittelfuß und mein Abrollverhalten optimal unterstützt und in keinster Weise beeinflusst werden.
Wie mit einem guten Freund fühle ich mich auch mit dem Roclite bei jedem Lauf einfach wohl. Der Schuh umschließt den Fuß und hält ihn bombenfest ohne dabei irgendwo zu drücken oder zu scheuern. Der Roclite macht jede Bewegung des Fußes mit und läuft sich auch auf längeren Asphaltpassagen, Tempoläufen oder Intervallen viel viel besser als man es von einem stabilen Trailschuh erwarten würde.
Dämpfung
Inov-8 hat mehrere aktuelle Dämpfungsmaterialien mit unterschiedlichen Schwerpunkten im Einsatz. Beim Roclite kommt, nicht wie beim Trailfly der Flyspeed Foam zum Einsatz, sondern der G-Fly Foam in Kombination mit dem Boomerang Fußbett. Wie eigentlich jeder Hersteller verspricht auch Inov-8 weniger Gewicht, mehr Komfort und mehr Rückstellkräfte als bei anderen Materialien.
Für Praktisch alle Dämpfungen werden inzwischen sogenannte „expandierte“ EVAs (Ethylen Vinyl Acetat) bzw. TPUs (Thermoplastisches Polyurethan) verwendet, also Materialien welche mit Hilfe von Gasen „aufgeschäumt“ werden.
Viel wichtiger als große Namen oder reine Chemie ist jedoch wie sich das Material unter den Füßen verhält und ob es mit den Dämpfungen der Konkurrenz mithalten kann.
Die Dämpfung des Roclite ist auf dem aktuellen Stand der Technik, steht den Dämpfungsmaterialien anderer Premiumherstellern in nichts nach und bietet eine ausgewogene Mischung aus Komfort und Agilität. Stöße werden jederzeit effektiv gedämpft ohne das der Fuß dabei weit in den Schuh einsinkt. Die Rückstellkräfte des Dämpfungsmaterials sind sehr gut, es wird keine, zumindest nicht merkbar, Energie verschwendet.
Im Vergleich zum Trailfly wirkt der Roclite etwas weniger komfortabel und ein klein wenig straffer.
Auch wenn ich bisher nicht weiter als 25km mit dem Schuh gelaufen bin, würde ich der Dämpfung meine Füße ohne Zweifel bei jeder Distanz anvertrauen.
Grip
Eine gute Passform und eine funktionierende Dämpfung machen einen ordentlichen Laufschuh aus, zumindest bei einem Straßenschuh. Abseits der Straße entscheidet aber ein anderer Faktor über die Leistung eines Schuhs und zwar der Grip. Um in diesem Punkt auf Nummer sicher zu gehen und potenziellen Käufern bereits im Geschäft eine gewisse Sicherheit zu geben, setzen viele Hersteller besonders bei ihren höherpreisigen Trailmodellen auf die Unterstützung von etablierten Gripprofis. Besonders Sohlen mit dem Vibram Logo stehen hier seit Jahren für zuverlässigen Grip und Haltbarkeit und auch Continental oder Michelin sind alles andere als unerfahrene Neulinge.
Inov-8 verlässt sich beim Grip des Trailfly nicht auf andere sondern entwickelt die Außensohle in Eigenregie und nennt diese dann Graphene-Grip oder kurz G-Grip. Bei den Werbeversprechen ist der Hersteller alles andere als zurückhaltend und macht ganz schön mutige Aussagen wie z.B. „delivers the worlds toughest grip – insane sticky traction and increased durability“. Dementsprechend große Erwartungen wurden natürlich bereits vor dem ersten Lauf geweckt.
Bei den ersten beiden Läufen war der Untergrund fast komplett trocken, für einen ernstzunehmenden Trailschuh keine Herausforderung. Der Roclite hatte mit den Untergründen keinerlei Probleme und griff überall beherzt zu. Interessanter waren da schon die ersten Regenläufe auf Schotter, Moos, Waldboden und Asphalt. Ich versuchte den Schuh in alle möglichen Situationen zu bringen und möglichst viele verschiedene Untergründe bergauf und bergab zu laufen um zu einem eindeutigen Ergebnis zu kommen.
Der Roclite bietet objektiv, da gleiche Außensohle, genau wie der Trailfly sehr guten Grip auf praktisch allen Belägen egal, ob nass und glatt oder weich und schlammig. Subjektiv empfinde ich den Grip beim Roclite sogar noch einen Tick besser als beim Trailfly. Vielleicht liegt es daran das ich mich hier viel wohler fühle und mein Fuß mit dem Roclite eine viel bessere Einheit bildet, denn dadurch bekomme ich eine deutlich bessere Rückmeldung vom Untergrund und besonders im Grenzbereich fühlt sich das dann wirklich sicherer an und ich vertraue dem Grip auch mehr.
Die Haltbarkeit der Außensohle ist ebenfalls sehr gut, mit dem Trailfly bin ich inzwischen bereits über 350km gelaufen und es sind kaum Abnutzungsspuren sichtbar. Demnach würde ich die Haltbarkeit der Sohle bei meinem Gewicht und Laufstil auf mind. 1200km+ einschätzen ohne dabei mit merkbaren Gripeinbußen rechnen zu müssen.
Und was ist jetzt mit der Aussage „The World´s toughest Grip“? Na ja, auf jeden belächelt man die Aussage nach einem ausführlichen Test nicht mehr, sondern denkt ernsthaft darüber nach. Ich denke zwar nicht das der Grip des Roclite der beste Grip der Welt ist, auch wenn er im Topfeld mitspielt, aber betrachtet man den Grip zusammen mit der Haltbarkeit der Sohle, dann kenne ich aktuell wahrscheinlich keine Sohle welche besser ist.
Der „Grip Index“ ist ein Versuch von mir die Grip Level bei Trailschuhen besser vergleichen zu können. Er findet sich bei allen meiner neueren Trailschuhbeiträge
Protektion
Der Roclite gehört zu den mittelschweren Vertretern im Trailsegment und bietet somit die wichtigsten Protektionsbauteile um auch schwierige Trails sicher zu laufen.
Die Zehen und das Obermaterial im Zehenbereich werden von einem doppelten Overlay geschützt, welches als äußere Schicht eine auffällig strukturierte Gummischicht nutzt. Dieser Zehenschutz ist zwar keine Stahlkappe, schützt die Füße aber trotzdem vor den meisten Kollisionen mit Steinen oder Wurzeln.
Von unten brauchen auch empfindliche Fußsohlen keine Gefahren zu fürchten. Der Roclite bietet neben der ohnehin schon recht stabilen Außensohle und der Mittelsohle auch noch eine zusätzliche Rock Plate und damit keinerlei Chance mehr für spitze Steine oder Wurzeln sich bis zur Fußsohle durchzudrücken.
Als weiteres Schutzbauteil könnte man auch noch das gesamte Obermaterial zählen, denn das ist wesentlich dicker und robuster als bei vielen anderen Schuhen, was sich besonders bei Läufen durch dornige Gebiete positiv bemerkbar macht.
Nässeschutz/Atmungsaktivität
Der Roclite bietet zwar weder eine Imprägnierung noch eine wasserdichte Membran, aber dennoch ist er für schlechtes Wetter wesentlich besser geeignet als viele andere Schuhe.
Das Merkmal, welches von Inov-8 grob übersetzt einfach „super stabiles haltbares Obermaterial“ genannt wird, trägt in der Praxis nämlich dazu bei, das die Füße deutlich länger warm und trocken bleiben.
Im knöchelhohen Schnee bemerkte ich zwar schon irgendwann das meine Füße feucht wurden, war aber sehr überrascht das die Schuhe die Füße weiterhin gut vor Kälte und dem Auskühlen schützten.
Die Atmungsaktivität des Schuhs bleibt dabei weitgehend unbeeinträchtigt, dementsprechend funktioniert der Schuh genauso bei wärmeren Temperaturen und auch bei stärkerem Schwitzen hat man keine Probleme. Ich würde den Roclite dementsprechend als Ganzjahresschuh bezeichnen, der auch beim Wintereinsatz eine gute Figur macht.
Gallerie
Fazit
Während ich den Trailfly Ultra G 280 „nur“ ganz OK fand, hat der Roclite Ultra G 320 mich sofort begeistert.
Manchmal kann man dabei gar nicht so genau sagen warum das so ist oder wo genau der Unterschied zwischen den Schuhen liegt, sondern es ist eher so wie bei Menschen die man kennenlernt und direkt so ein Gefühl der Sympathie oder der Abneigung spürt. Manchmal passt es eben zwischen(schuh)menschlich und manchmal eben nicht :-).
Die Dämpfung bietet eine ausgewogene Mischung aus Komfort und Agilität. Stöße oder Schläge werden auch bei schnellen bergab Läufen oder Sprüngen sauber gefiltert ohne das der Fuß dabei merklich in der Dämpfung versinkt. Das Dämpfungsmaterial ist technisch auf dem aktuellen Stand und auf Augenhöhe mit den anderen Premiumherstellern. Es wird kaum merkbar Energie verschwendet und die Dämpfung bietet sehr gute Rückstellkräfte.
Die Herstelleraussage „The World´s toughest Grip“ würde ich vielleicht nicht ganz unterschreiben, aber der Grip ist schon ziemlich gut und die Abreibung der Sohle ist sehr gering. Die G-Grip Sohle konnte mich eigentlich auf allen Belägen überzeugen und liegt auf trockenen und nassen Trails auf dem gleichen Niveau wie die besten Vibram, Continental oder Michelin Sohlen. Die Stollen packen besonders auf weichen Böden ordentlich zu und setzen sich nicht leicht mit Schlamm zu. Auf nassen ganz glatten Belägen (noch nie während eines Laufes, sondern bisher nur im Haus auf nassen Fliesen) leistet sich der Schuh irgendwie manchmal merkwürdige kleine Rutscher, die nicht so richtig nachvollziehbar sind und evtl. durch einen ungünstigen Winkel (Stollen zu Boden) zu Stande kommen, aber das Gesamtbild etwas trüben.
Die UVP von 195€ finde ich persönlich schon ziemlich hoch angesetzt. Ich würde jetzt nicht sagen das der Schuh zu teuer ist, denn der Roclite ist sauber verarbeitet, die Materialien sind hochwertig und robust und der Schuh mach einen sehr guten Job und wird voraussichtlich recht lange halten, aber 195€ sind für mich dennoch sehr viel Geld.
Bei der aktuellen Inflation und den steigenden Energiepreisen gehe ich aber davon aus das die 200€ Marke von den meisten Premiumlaufschuhen überschritten wird